Homöopathie in der Tiermedizin

Homöopathie in der Tiermedizin

Was können wir erwarten?
Eine grundlegende Einführung und 101 Fallbeispiele

Von Edward De Beukelaer

ISBN 978-3-937268-22-4

-- Buchrezension Von Siegfried Letzel

 

Edward De Beukelaer ist Tierarzt. Er absolvierte sein Studium an der Universität in Gent und begann nach mehreren Jahren der Praxistätigkeit und nach dem Besuch eines vierjährigen, letztlich nicht wirklich befriedigenden Homöopathiekurses, die Klassische Homöopathie an einer renommierten Schule in Esneux zu studieren. Heute praktiziert er in Großbritannien (in Wiltshire und Gloucestershire) als homöopathisch arbeitender Tierarzt und ist bekannt für seine fundierten und praxisnahen Artikel in dem Homöopathiejournal ‚Homeopathy 4 Everyone’, das Sie unter http://www.hpathy.com/ezine/ kostenlos abonnieren können.

Der Autor widmet dieses Buch all jenen Menschen, die dabei sind, die Homöopathie für sich zu entdecken und die hoffen, sie als sinnvolle Ergänzung ihrer medizinischen Behandlungsmethoden aufnehmen zu können. Hier bereits unterscheidet sich De Beukelaer von einer Vielzahl anderer Autoren in der Homöopathieliteratur: Er sieht die Homöopathie nicht als Ersatz für konventionelle Behandlungsmethoden an. Auch ist er nicht Anhänger einer ‚päpstlichen’, statischen Homöopathie, sondern er folgt der Philosophie seiner Lehrer in Esneux, die ihm eine Form der Homöopathie lehrten, die mit dem gesunden Menschenverstand arbeitet und immer darauf abzielt, „Verbesserungen zu erzielen, ohne dabei die grundlegenden Prinzipien aus den Augen zu verlieren und in elitäres Denken zu verfallen“.

Mit seinem Buch möchte Dr. De Beukelaer vernünftige Richtlinien aufzeigen.

Er steigt ein, indem er uns seinen Werdegang in die Homöopathie erzählt. Ganz ähnlich wie es Dr. Samuel Hahnemann in seiner frühen Praxis erging, kam Edward nach ein paar Jahren als praktizierender Veterinär zu der Erkenntnis, dass ihn die Realität mit chronischen und wiederkehrenden Erkrankungen konfrontiert. Er fühlte sich unzulänglich darin, immer mit denselben Behandlungsmethoden aufwarten zu müssen, obwohl sich die Erkrankungen seiner Patienten und die Symptome mannigfaltig unterschieden. Ihm wurde die Diskrepanz zwischen den diagnostischen Möglichkeiten und den verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten bewusst. Selbst bei völlig unterschiedlichen Diagnosen war die Behandlung oftmals sehr ähnlich.
Es ging lediglich um die Beseitigung von Symptomen, ohne die Patienten zu heilen.

Als Herr De Beukelaer an der Tierärztlichen Universität in Gent die Homöopathie vorstellte, wurde ihm bewusst, dass ein Bedarf an Informationen darüber bestand, wie die Homöopathie Teil einer vernünftigen Sichtweise werden kann, die das Beste sowohl der konventionellen als auch der nicht-konventionellen Medizin nutzt.

In dem ersten Teil dieses Buches wird die Entstehung der Homöopathie selbst und ihre Geschichte grob umrissen. Die wichtigsten Grundlagen dieser Therapieform werden vorgestellt. Wiederholt fügt Edward persönliche Anmerkungen ein, die die vorgestellten Informationen erklären oder ergänzen und sie gelegentlich in das richtige Licht der heutigen Zeit setzen.

Lesern, die sich bereits marginal mit Homöopathie befassen oder befasst haben, und die unterschiedliche Ansätze kennengelernt haben, dient der Abschnitt über die Klassische Homöopathie, um vermeintliche Ungereimtheiten zu klären. Unterschiede zur pluralistischen und der Komplexhomöopathie werden dargelegt und wir erfahren, weshalb die Klassische Homöopathie die letztlich logischste Ausübung dieser Heilkunde ist.

Einer der mir am wichtigsten erscheinenden Bereiche dieses Buches ist die Vermittlung des richtigen Umgangs mit Diagnosen. Dieses Thema spricht der Autor mehrmals an und beweist darin, dass der Umgang mit harten Fakten nicht auf ein medizinisches System alleine, nämlich das konventionelle, begrenzt sein muss.

Wie in vielen anderen Büchern auch wird uns dargelegt, dass der Patient in der Homöopathie als Individuum behandelt wird, dass jeder Fall individualisiert wird. Anders in der konventionellen Medizin, wo vor der Behandlung eine Diagnose erstellt wird, und auf ihrer Grundlage die Behandlung, heutzutage evidenzbasiert, zu erfolgen hat. Der Mensch selbst ist dabei erst einmal nicht wesentlich von Interesse.

Die Klassische Homöopathie bezieht sich auf die Anwendung einer einzelnen Arznei zu einem bestimmten Zeitpunkt; diese wird gemäß den ursprünglichen homöopathischen Prinzipien für den individuellen Patienten ausgewählt.

Ist die Homöopathie nun eine ‚individuelle Medizin’? NEIN! De Beukelaer geht auf einen Bereich ein, der gerade in der Tiermedizin (wegen der Massenhaltung von Tieren), aber auch in der Epidemiologie von Bedeutung ist: Wie geht man mit Kollektiverkrankungen um? Das Buch erklärt, wie man selbst für 10 000 Stück Geflügel in einem solchen Fall einheitlich behandeln kann. Die Individualisierung muss sich also nicht ausschließlich immer nur auf ein Individuum beschränken.

Das Thema der Impfproblematik wird immer häufiger in der Homöopathieliteratur aufgeschnappt, so auch hier. De Beukelaer nimmt sich dieses Themas ganz als Wissenschaftler an und er beleuchtet gottlob nicht nur die grundsätzlich ablehnende Haltung so vieler Homöopathen, sondern er zeigt die Pros und Cons, die Vor- und Nachteile der streng konservativen Meinungen auf. Wir erfahren hier, dass es überflüssige Impfungen und unerwünschte, zum Teil von der Pharmaindustrie verheimlichte Nebenwirkungen gibt. Generelles Nichtimpfen wird aber nicht als Alternative vorgeschlagen. Auch wird davor gewarnt, an ‚homöopathische Impfstoffe’ zu glauben. Diese gibt es nicht! Den in manchen Schulen gelehrten automatisierten Umgang mit Nosoden beleuchtet das Buch recht kritisch: Was bewirken Nosoden im Vergleich zu Impfstoffen, was ist Isotherapie, wo liegen mögliche Gefahren in einer solchen Anwendung homöopathischer Arzneien?

Und so wirbt Edward für einen verantwortungsbewussten und -vollen Umgang mit Homöopathika und Impfarzneien: Moderne Impfstoffe sind nicht ungefährlich, können aber sehr effektiv sein, wenn sie angemessen und nicht blindlings angewendet werden.

Nach einem weiteren Exkurs in die homöopathischen Grundlagen, es geht da um homöopathische Verdünnungen, auch um ihre Wissenschaftlichkeit und woraus diese Mittel hergestellt werden, worin sie sich von der Pflanzenheilkunde unterscheiden, und was das Ähnlichkeitsprinzip ist, kommen wir wieder zu einem mehr praktischen Thema:

Was kann homöopathisch behandelt werden?
De Beukelaer wägt die, tatsächlich recht hochgesteckten, Bereiche homöopathischer Wirksamkeit ab. Er zeigt aber auch auf die Grenzen der Homöopathie und auf die Realität, dass Fälle auch unheilbar sein können.
Ganz nach Hahnemanns grundlegenden ersten 2 Organon-Paragrafen, geht es Dr. De Beukelaer darum, kranke Menschen und Tiere gesund zu machen, sie schnell, sanft und dauerhaft zu heilen und das auf dem kürzesten, zuverlässigsten und unnachteiligsten Weg. In diesem Buch heißt das nicht, dass dies nur homöopathisch zu erreichen ist. Hier kommen wieder die Grenzen der homöopathischen Wirksamkeit ins Spiel. Welche Schäden und Verschleißerscheinungen hat der (tierische) Patient erlitten? Wieviel Lebensenergie ist noch vorhanden, um sich von schweren Läsionen zu erholen? Welche schädlichen Einflüsse werden dem Patienten aufgezwungen (Wetter, Umgebung, Art der Tierhaltung, falsche Behandlung von dritter Seite)? Aber auch: In welchen Fällen kann die konventionelle Schulmedizin lebensrettend sein?

Nie möchte De Beukelaer effiziente und bewährte Behandlungskonzepte ausgeschlossen sehen. In dem folgenden Abschnitt, den ich ungekürzt wiedergebe, erkennt man seine Position am ehesten:
“Statt die Frage zu stellen, ob die Homöopathie bei einem bestimmten Problem angezeigt ist, sollte man sich eher fragen, ob die Notwendigkeit und das Verlangen bestehen, die Homöopathie einzusetzen, und ob man die erforderliche Motivation aufbringt, die damit verbundenen Mühen einzugehen. Keine Beschwerde, kein Gesundheits- oder Verhaltensproblem und keine Angst ist zu schwerwiegend, um nicht von einer guten homöopathischen Verschreibung zu profitieren. Je ernsthafter das Problem ist, desto präziser muss die Verschreibung allerdings sein.“

Nun zurück zu dem Thema Homöopathie und konventionell-medizinische Diagnose. Auch hier versucht De Beukelaer, zwei völlig unterschiedliche Welten unter einen Hut zu bringen. Und zwar auch hier unter der Prämisse, das Beste für den Patienten zu suchen.

Für Edward ist eine konventionelle Diagnose kein guter Ausgangspunkt für eine homöopathische Verschreibung. Auf der anderen Seite bemängelt er, auf sie eine schulmedizinische Therapie zu basieren.
Für die Homöopathie kann die objektivierte Diagnose zwei Bereiche abdecken, die sonst leicht auf der Strecke bleiben: Laborwerte, Röntgenbilder, Scans jeder Art liefern harte Daten. Wenn diese vor, während und nach der Behandlung festgehalten werden, so trägt das wesentlich zu einer guten Falldokumentation bei. Homöopathische Berichte von Heilungen werden von Skeptikern und vermeintlichen Wissenschaftlern oft als ‚Anekdoten’ ohne jegliche Beweiskraft abgetan. Harte Fakten in großer Anzahl werden die Effizienz der Homöopathie beweisen helfen.

Auch dient die Diagnose dazu, mit vielen Patienten überhaupt erst in den Dialog zu kommen. Sie berichten zunächst häufigst über ‚MEIN Diabetes, MEIN Bluthochdruck, MEIN Cholesterinspiegel’ anstatt von ihren Symptomen, Gefühlen und ihrem Befinden an sich. Die Patienten müssen erst lernen, dass sich der Homöopath nicht mit einer Diagnose unterhält, sondern mit einem ganzheitlichen Menschen!

Das Buch hat einen wirklich sehr interessanten Aspekt darin, dass man erkennt, wie Edward stets versucht, seine objektive und neutrale Haltung in der Bewertung der konventionellen Medizin, der Klassischen Homöopathie und ihrer daraus entwickelten (Ab-)Arten zu wahren.

Und so fällt seine Schlussfolgerung für die Homöopathie sehr günstig aus. Nicht aber die diagnosebasierte Homöopathie. De Beukelaer sieht auch nicht das Ideal darin, die Homöopathie in die konventionelle Medizin zu integrieren, abgesehen davon, dass es wegen der grundlegenden Unterschiede auch nicht möglich wäre. Aber er sieht die Homöopathie neben der konventionellen Medizin koexistieren.

Nun sind wir am zweiten und letzten Teil dieses Buches angelangt. Hier werden uns 101 Fälle von homöopathisch behandelten Tieren vorgestellt (Laut Abschnittstitel sind es so viele. Ich habe sie nicht nachgezählt).

Die Fälle, die uns hier vorgestellt werden, stammen von Dr. De Beukelaer selbst und von einigen seiner Kollegen, die er gut kennt und für deren Kompetenz und Authentizität er bürgt. Vielen Lesern wird es willkommen sein, dass es sich bei diesen Fällen um Anekdoten handelt, also nicht um Laborwerttabellen, und dass die Fallberichte recht locker formuliert sind. Dadurch leidet zwar das wissenschaftliche ‚Erscheinungsbild’ der Berichte, aber dafür sind die Behandlungsergebnisse umso beeindruckender. Das sind Berichte, wie sie einfach typisch sind: Manchmal grenzt die Arzneimittelwirkung an ein Wunder, andererseits muss eine Verbesserung des Patienten mit viel Mühe und Geduld durchlitten werden. Die Homöopathie richtig anzuwenden ist kein leichtes Brot.

Über dieses Buch dürfen sich Tierliebhaber und Veterinärmediziner, die sich noch nicht näher mit Homöopathie befasst haben, freuen. Ist die Homöopathie eine Alternative für ihre gefiederten oder vierbeinigen Lieblinge, ist sie eine für die Behandlung meiner Patienten in der Praxis? Ist die Homöopathie überhaupt mit der ärztlichen Ausbildung und Tätigkeit in Einklang zu bringen? Ist sie Hokus Pokus? Kann man verantwortungsvoll mit ihr arbeiten und sie den Patienten ‚zumuten’? Ist sie eine Alternative zur Schulmedizin? Lassen sich beide Systeme unter einen Hut bringen?

Dr. Edward De Beukelaer gibt eine verständliche Einführung in die Homöopathie und bindet sie wunderbar in das moderne wissenschaftlich-medizinische Denken ein. Er ermöglicht es Tierhaltern, Tierärzten und Tierheilpraktikern, eine Entscheidung dahin gehend zu treffen, das Beste aus einer Behandlung herauszuholen, indem das Optimum aus beiden Welten zugunsten des Patienten zusammengeführt wird. Nebenbei sei noch hinzugefügt, da die Prinzipien und die Praxis der Homöopathie für Mensch und Tier identisch sind: Dieses Buch eignet sich für JEDEN, der schon immer wissen wollte, was man von der Homöopathie erwarten kann, als Einstiegsliteratur.

Wie man das alles als Behandler schließlich umsetzen und praktizieren kann, das wird dieser Autor hoffentlich in einem weiterführenden Buch zu gegebener Zeit noch nachlegen.

Edward, gib uns mehr!!!