Vorträge über das Organon der Heilkunst - Zum Verständnis des § 2

Vorträge über das Organon der Heilkunst - Zum Verständnis des § 2

Author: 
Manish Bhatia

Der zweite Paragraf besagt:

Das höchste Ideal der Heilung ist schnelle, sanfte, dauerhafte Wiederherstellung der Gesundheit, oder Hebung und Vernichtung der Krankheit in ihrem ganzen Umfange auf dem kürzesten, zuverlässigsten, unnachtheilgsten Wege, nach deutlich einzusehenden Gründen.

oder

Das höchste Ideal der Heilung ist die schnelle, sanfte und dauerhafte Wiederherstellung der Gesundheit; das heißt, die Besserung und Vernichtung von Krankheit in ihrer ganzen Ausdehnung auf die kürzeste, zuverlässigste und am wenigsten nachteilige Weise, entsprechend eindeutig realisierbaren Prinzipien.

Im ersten Paragrafen erörterte Hahnemann den Auftrag eines Arztes (zu heilen) und gleichzeitig gab er in aller Kürze, aber auf den Punkt genau, die eigentliche Definition von Heilung (kranke Menschen gesund zu machen). Im zweiten Paragrafen bewegt sich Hahnemann vorwärts und fährt fort, die bestmögliche Heilung näher zu bestimmen. Er war damit nicht zufrieden gewesen uns nur zu sagen, was Heilung ist. Im zweiten Paragrafen teilt er sehr eindeutig mit, dass die ideale Heilung schnell, sanft und dauerhaft sein sollte. Aber es gibt erneut mehr zu diesen Worten zu sagen, als es ursprünglich den Anschein hat. Ich sage meinen Studenten immer, dass Hahnemann mit jedem Wort Seiten schreibt! Deshalb ist es für mich nicht ungewöhnlich, über den ersten oder zweiten Paragrafen drei bis fünf Stunden lang zu unterrichten. Und dies wird jedem klar werden, während wir unseren Diskurs über Hahnemanns Paragrafen fortsetzen.

Wir haben es schon in § 1 erörtert, dass nur bei Wiederherstellung der Gesundheit von Heilung gesprochen werden kann. Jetzt lassen Sie uns die 'Kennzeichen' für eine 'ideale Heilung' erörtern.

Das erste Kennzeichen ist 'schnell'. Die ideale Heilung sollte schnell erfolgen. Als Adjektiv bedeutet 'schnell' - unverzüglich, rapide oder rasch. Es ist synonym mit 'zügig'. Also sollte die ideale Heilung prompt erfolgen. Die ideale Heilung sollte die kürzest mögliche Zeit dauern. Aber in welchem Zeitrahmen kann eine Heilung als 'ideal' bezeichnet werden? Ein oder zwei Tage in Akutfällen? Einige Wochen in chronischen Fällen? Nein, es gibt keine 'ideale Zeitspanne' für eine 'ideale Heilung'. Sie hängt vom Einzelfall ab. In einem Akutfall im Anfangsstadium dürften einige Minuten oder einigen Stunden die ideale Zeitspanne sein. In einem Akutfall in voller Blüte könnten einige Tage die ideale Zeit sein. Bei einer funktionellen chronischen Krankheit von kurzer Dauer ohne akute Miasmen könnten einige Wochen oder wenige Monate die ideale Zeitspanne sein. In Fällen mit vollständig entwickelten Pathologien, aktiven miasmatischen Zuständen, jährlich wiederkehrenden Erkrankungen oder mit bedeutsamen Problemen auf der geistigen und emotionalen Ebene kann sich der Zeitraum für die Heilung über viele Jahre hinziehen. Es liegt nicht an uns zu entscheiden, welche die 'ideale Zeitspanne' für die Heilung in einem besonderen Falle wäre. Unsere Bemühungen sollten darauf ausgerichtet sein, den Patienten so früh wie möglich zu heilen. Je weniger Zeit es dauert, den Fall zu heilen, desto besser!

Wir gehen jetzt weiter zum nächsten Kennzeichen, 'sanft'. Die ideale Heilung sollte die kürzest mögliche Zeit brauchen, aber das zweite Kennzeichen (sanft) setzt dem ersten Kennzeichen Grenzen. Sanft bedeutet nicht hart oder heftig sondern mild und weich. So sollte die ideale Heilung nicht nur schnell erfolgen, sie sollte auch nicht schroff oder auf irgendeine Weise schädlich sein. Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben:

Nehmen Sie an, dass Sie von Punkt A nach Punkt B, sagen wir, 100 km voneinander entfernt, kommen müssen. Es gibt viele Wege/Modi, um B von A aus zu erreichen. Sie können zu Fuß gehen, und das dauert vermutlich länger als zwei Tage. Ihre Gelenke werden ihnen danach auch stark schmerzen.

Sie könnten auch mit dem Fahrrad fahren und Sie werden die Strecke an einem Tag oder mehr zurücklegen. Wieder ist viel körperliche Arbeit erforderlich – für die meisten unter uns wird es ist nicht leicht (komfortabel) sein, die 100 km mit dem Fahrrad zu fahren. Sie könnten einen Motorroller oder ein Motorrad wählen, und Sie werden diese Distanz in zwei Stunden zurücklegen. Sie könnten ein Auto benutzen und die Strecke vermutlich in weniger als 2 Stunden schaffen. Aber die Kosten für das Auto und für den Kraftstoffverbrauch wären bedeutend höher verglichen mit dem Motorroller. Sie könnten einen Hubschrauber oder einen privaten Düsenjet nehmen. Sie werden in Minuten dort sein, aber unter exorbitanten Kosten. Dann könnten Sie sich sogar noch an eine Rakete festschnallen, und Sie kommen in weniger als eine Minute an! Wenn auch nicht an einem Stück!!

Also sehen wir, dass der schnellste Weg (die Rakete) auch der Schädlichste ist. Zu Fuß und mit dem Fahrrad die Strecke zurückzulegen ist langsam (nicht schnell genug) und belastend (nicht sanft). Also liegen die Alternativen zwischen dem Zweirad und dem Auto. Beide sind gut genug, aber das Zweirad ist wegen seiner besseren (finanziell weniger belastenden) Kraftstoffeffizienz ideal. Es ist sowohl 'schnell genug' als auch 'sanft genug'. Das 'Zweirad' ist hier das Simillimum, das der Lebenskraft gerade den erforderlichen Anstoß gibt, um zu heilen. Wenn der Verlauf sehr langsam ist, ist er nicht ideal, weil der Patient die ganze Zeit über leidet. Und es ist unsere Pflicht, ihn so bald wie möglich von seinen Leiden zu befreien. Aber auch wenn in dem Bestreben, den Patienten ‚schnell’ zu heilen, dieser auf irgendeine Weise (starke homöopathische Verschlimmerung, neue medizinische Symptome oder Unterdrückung) leidet, so ist das nicht 'ideal'. So muss es für eine Heilung, damit sie ideal sein kann, ein Gleichgewicht zwischen der Schnelligkeit und der Sanftheit geben.

Aber selbst mit dem Simillimum (dem Zweirad) könnte es sein, dass Sie nicht 'schnell genug' oder 'sanft genug' sind. Wie? Nehmen wir an, das Zweirad erbringt den besten Durchschnittsverbrauch, wenn man mit 100 km/h fährt. Wenn Sie zu langsam fahren (zu niedrige Potenz, Wiederholung der Gabe seltener als erwünscht), dann erreichen Sie B nicht so schnell wie möglich, und es wird auch belastender sein (höherer Kraftstoffverbrauch). Gleichermaßen, wenn Sie mit 160 km/h fahren (die Potenz ist höher als notwendig, zu häufige Mittelgabe), dann kommen Sie früh an, aber der Kraftstoffverbrauch wird höher sein (nicht sanft genug), zusätzlich haben Sie eine stärkere Abnutzung der Maschine (homöopathische Verschlimmerung?) und es besteht sogar ein erhöhtes Risiko, in einen Unfall verwickelt zu werden (idiosynkratische Reaktion auf das Mittel oder lebenslange Einprägung medizinischer Symptome!)

Also endet Ihre Arbeit nicht mit der Wahl des Simillimums. Sie müssen die richtige Potenz wählen und dann den Fall genau verfolgen, um eine ideale Heilung zu bewirken - die 'schnell genug' und 'sanft genug' ist.

An dieser Stelle erinnere ich mich an meinen ersten Ekzemfall. Eine Dame in ihren späten Dreißigern kam mit einem nässenden Ekzem an ihrem rechten Bein in meine Praxis. Sie hatte es seit den letzten 15 Jahren, und man hatte jede mögliche Behandlung an ihr angewendet. Ich nahm den ganzen Fall und jedes Detail über die Patientin auf (nicht nur das Ekzem), sie passte perfekt mit Graphites überein. Ich verabreichte ihr nur eine Gabe Graphites C 30 und über zwei Wochen lang Sac lac. Bei ihrem nächsten Besuch kam die Dame auf mich zu und hüpfte fast vor Freude. Sie war sehr aufgeregt und sagte mir, dass das Ekzem schon sehr viel kleiner ist und dass sie sich großartig fühle. Nichts hatte jemals so bei ihr gewirkt. Ich war auch sehr glücklich. Ich verschrieb ihr Sac lac. für noch weitere 2 Wochen, worauf die Dame sagte, dass sich das Ekzem weiter verkleinert habe, aber nicht so sehr wie beim ersten Mal. Erneut verschrieb ich ihr Sac lac. für weitere zwei Wochen und danach kam die Dame wieder und sagte, dass diese Arznei kaum wirke, weil das Ekzem sich nicht so schnell auflöste wie während der ersten zwei Wochen. Das Ekzem verschwand allmählich, aber die Dame begann unruhig zu werden, weil sie nach einer 'Magie' suchte. Als junger Praktiker war ich nicht erfahren genug, um zu entscheiden, für wie lange ich mit der Wiederholung warten sollte. Dem Druck des Patienten nachgebend und um die Heilung zu beschleunigen, wiederholte ich das Mittel. Beim nächsten Mal, als die Patientin kam, war ich schockiert zu sehen, dass das Ekzem wieder größer wurde. Ich wusste nicht, was zu tun war. Ich gab Graphites C 200, das Ekzem vergrößerte sich weiter. Ohne in klassischer Homöopathie gut versiertem Mentor war ich völlig verwirrt. Ich versuchte dies, dann jenes ..., aber vergebens. Ein paar Monate später verlor ich die Patientin. Im Nachhinein denke ich, wenn ich ein Paar Wochen oder Monate länger gewartet hätte, hätte der Fall zur Heilung fortschreiten können. Eile produziert Müll!

Kommen wir auf das nächste Kennzeichen, 'dauerhaft' zurück. Die Wiederherstellung der Gesundheit muss dauerhaft sein, damit wir von Heilung sprechen können. Dauerhaft bedeutet ‚bleibend oder beständig, ohne wesentliche Veränderungen; etwas für immer'. Sobald Sie die Gesundheit wiederherstellen, sollte es keinen Rückfall der Beschwerden geben. Wenn Sie alle Beschwerden des Patienten lindern, und diese kommen nach einiger Zeit in unterschiedlicher Stärke wieder zurück, dann ist dies 'Linderung', nicht 'Heilung'. Die gesamte konventionelle Medizin ist auf Linderung und Unterdrückung hin ausgerichtet und allein schon diese Konzentration auf die Heilung platziert die Homöopathie in eine andere Liga. Aber was versteht man unter einer dauerhaften Wiederherstellung der Gesundheit? Bedeutet es, dass, sobald eine Person geheilt ist, diese nie wieder krank werden kann? Sobald Sie eine Person mit Depressionen oder Ovarialzysten geheilt haben, wird sie nie wieder eine Grippe bekommen? Oder, sobald Sie eine Grippe bei einer Person geheilt haben, bekommt sie nie wieder in ihrem Leben die Grippe? Nein, denn selbst nachdem Sie eine Person 'geheilt' haben, kann die Person gelegentlich akut erkranken, denn sogar relativ gesunde Menschen können gelegentlich eine Grippe oder einen Infekt bekommen. Jedoch sind diese normalerweise schnell und ohne Komplikationen vorbei.

Eine andere Frage in diesem Zusammenhang lautet - ist die Heilung ohne Vorbehalte 'dauerhaft'? Um dies zu beantworten, müssen wir zuerst den Unterschied zwischen einem 'Rückfall' und einem 'erneuten Auftreten' verstehen. Wenn Erkrankungsumstände bald (oder jährlich) nach dem Ende der Behandlung wieder auftreten, dann ist es höchst wahrscheinlich ein Rückfall. Wenn ein Patient sagt - 'Doktor, während ich ihre Arznei einnahm, ging es mir besser; mir ging es sogar noch für einige Tage gut, nachdem ich die Einnahme beendet hatte, aber jetzt scheine ich wieder meine alten Symptome zurückzubekommen' - das deutet normalerweise darauf hin, dass die Arznei nur linderte, und dass die Heilung nicht vollständig war und es sich deshalb um einen Rückfall handelt. Wenn aber der Patient unter der Behandlung sich körperlich, geistig und emotional bessert, und wenn dies über einen sehr langen Zeitraum bestehen bleibt, dann ist dies normalerweise ein Zeichen für eine Heilung. Wenn Sie eine an Malaria oder Typhus erkrankte Person heilen und diese Person im nächsten Jahr wieder davon befallen wird, bedeutet es nicht, dass Ihre Heilung nicht vollständig war (es sei denn, es gibt ein jährliches erneutes davon Befallensein). Viele Leute sagen, dass, wenn Ihre Lebenskraft gesund ist, Sie sich nie einen Infekt einfangen, aber ich persönlich meine, dass sie nicht recht haben. Eine akute Infektion hängt normalerweise nicht nur von der Vitalität der Person ab, sondern auch von der Virulenz des Krankheitserregers. Wenn ein Virus oder Bakterium zu virulent ist, dann kann jeder (sogar eine gesunde Person) erkranken. Das Gleiche gilt für die chronische Erkrankung. Chronische Krankheiten werden normalerweise von chronischem Stress ausgelöst (die Tendenz existiert schon vorher) – entweder von körperlichem, geistigem oder emotionalem. Nachdem Sie eine Person geheilt haben, ist es die Aufgabe dieser Person, ihre Gesundheit aufrechtzuerhalten. Wenn die Person von neuem beginnt, eine ungesunde Kost aufzunehmen, einen ungesunden Lebensstil zu führen oder wenn sie wieder ähnlichen geistig emotionalen Einflüssen unterliegt, die ursprünglich den Krankheitsprozess auslösten, dann kann ein Rezidiv eines ähnlichen Leidens auftreten. Also ist die 'Heilung' nicht ohne vorbehalt. Sobald die Gesundheit wiederhergestellt worden ist, ist es die Verantwortlichkeit des Patienten sicherzustellen, dass der Zustand gewahrt bleibt. Lassen Sie mich Ihnen ein anderes Beispiel geben, um dies zu erklären, -

Nehmen Sie einmal an, dass Sie ein hübsches Auto besitzen und in einen Unfall verwickelt werden, weil Sie zu ungestüm fuhren (die präexistierende Tendenz), oder jemand fuhr Sie an, obwohl Sie völlig korrekt fuhren (die Virulenz des Krankheitserregers/Umstände). Nach dem Unfall bringen Sie jetzt das Auto zu einem Mechaniker (dem Homöopathen). Der Mechaniker bringt alles in Ordnung, beult das Blech aus, lackiert alle Kratzer, poliert alles, und das Auto ist jetzt (anscheinend) so gut wie neu (die Heilung)!

Aber sobald der Mechaniker Ihnen das Auto wieder ausgehändigt hat, ist es dann dessen Verantwortlichkeit, dass sie nicht mehr in einen Unfall verwickelt werden? Nein! Wenn Sie wieder unachtsam fahren, können Sie wieder verunfallen, jemand anderes kann Sie immer noch anfahren, selbst wenn Sie selber nichts Falsches getan haben. Mit jedem neuen Mal wird es für den Mechaniker schwieriger, das Auto in seinen Originalzustand zurückzuversetzen. Die Reparaturarbeiten beginnen, sichtbar zu werden! Zusätzlich, durch die lange Benutzung wird eine Abnutzung von Teilen auftreten (altersbezogene Probleme). Wenn Sie das Fahrzeug längere Zeit nicht benutzen (keine Bewegung - sowohl körperlich als auch geistig), lehrt sich die Batterie, und es wird schwierig, das Auto jedes Mal zu starten. Wenn Sie das Auto nicht regelmäßig warten lassen, wenn Sie nicht rechtzeitig hochwertiges Öl und Wasser nachfüllen (die Wichtigkeit von Kost und Ernährung), wird sich Ihr Auto stärker abnutzen. Deshalb, sei es die Gesundheit Ihres Autos oder Ihres Körpers, es hängt von Ihnen ab, nicht nur von Ihrem Arzt. Die 'Heilung' ist nie ohne Vorbehalt!

Jetzt gehen wir zum nächsten Teil weiter - der Vernichtung der Krankheit'. Viele Leute sagen - ' Hey! Hahnemann spricht darüber, Krankheiten zu behandeln. Was ist denn mit dem holistischen Ansatz und der Individualisierung?' Aber für solche Menschen setzt Hahnemann immer Kennzeichen an genau die richtigen Stellen. Hier sagt er auch 'Vernichtung der Krankheit in ihrem ganzen Umfange'. Welches ist dieser 'ganze Umfang'? Für Hahnemann war 'Krankheit' keine Entität, es war ein Prozess. Und eine Erkrankung zu heilen bedeutet, den ganzen Prozess in solcher Weise umzukehren, dass nicht nur die Infektion oder die Pathologie verschwindet, sondern dass der Patient zu seiner optimalen Gesundheit zurückkehrt.

Hahnemann hat eine andere Gruppe von Worten verwendet, um die Vorstellung von der idealen Heilung zu vertiefen - kürzest, zuverlässigst und unnachtheiligst. Kürzest ist synonym zu ‚schnellst’, und bedarf so nicht einer weiteren Erklärung. 'Unnachtheiligst' oder 'am wenigsten schädlich' steht als Erläuterung zu 'sanft'. Aber das Wort 'zuverlässigst' scheint anders zu sein. Was bedeutet zuverlässig? Zuverlässig bedeutet 'vertrauenswürdig, verlässlich'. Wann wird eine Person oder ein Objekt zuverlässig? Wenn Sie das wissen, werden Sie nicht leicht im Stich gelassen. In homöopathischer Hinsicht bedeutet es, dass eine Heilung, soll sie verlässlich sein, keinen Rückfall aufweisen wird. Also wird zuverlässig auch in einem Sinn ähnlich zu ‚beständig’ verwendet. Aber zuverlässig hat auch eine andere Bedeutung – das Erbringen gleicher oder kompatibler Ergebnisse in unterschiedlichen klinischen Experimenten oder statistischen Versuchen. Wenn wir also hier die Definition von zuverlässig erweitern, kommen wir zu dem Schluss, dass die Heilung nicht nur dauerhaft sein sollte, sie sollte auch auf eine Art und Weise durchgeführt werden, die reproduzierbar ist.

Jetzt kommen wir zum schwierigen Teil dieses Paragrafen 'nach deutlich einzusehenden Gründen' oder 'gemäß eindeutig erkennbaren Gründen'. Weshalb ist dieser Zusatz notwendig? Hier dachte Hahnemann nicht nur daran, einen Patienten zu heilen. Hier hat er den Geltungsbereich seiner Worte ausgeweitet, um alle Patienten abzudecken. Seine letzten Worte in diesem Paragrafen reflektieren seine Vorstellungen über die Homöopathie als ein 'System'. Für ihn waren die Medizin im Allgemeinen und die Homöopathie im Besonderen nicht nur eine Kunst, sondern auch eine Wissenschaft. Und jede Wissenschaft basiert auf bestimmten Regeln, Gesetzen und Prinzipien. Ohne eine Reihe von Regeln kann es keine Einheitlichkeit, keine Standards geben. Es kann keine Zuverlässigkeit geben. Hahnemann wollte, dass der Nutzen der realen Medizin jeden Patienten erreichen sollte, und damit dies geschieht, muss es eine Reihe von Regeln geben, denen jeder folgen kann, um eine Heilung herbeizuführen. Aber warum müssen diese Prinzipien 'leicht verständlich' sein? Denken Sie darüber einmal so - wenn es auf der Welt so wenige Ärzte wie Astronauten, Astrophysiker, Meeresbiologen oder Nuklearwissenschaftler gäbe, wie wäre der Zustand unseres medizinischen Systems? Wären die Medizin und die Heilung innerhalb der Reichweite für jeden? Ich denke, nein. Die Prinzipien müssen sein, damit sie leicht verständlich sind. Erst dann werden sie sich massenhaft ausbreiten und wird der Nutzen der Homöopathie alle und jeden Menschen erreichen.

Jetzt haben wir alle Kennzeichen durch, aber wir sind noch nicht fertig! Ich habe den Anfang für das Ende aufgehoben. Das höchste Ideal der Heilung. Homöopathiestudenten nehmen sich die Definition von der idealen Heilung häufig zu herzen, oft so sehr, dass sie zu glauben beginnen, dass jede Heilung schnell, sanft und dauerhaft zu sein hat. Aber erinnern Sie sich bitte daran, dass Hahnemann hier über ein 'Ideal' redete. Ideal bedeutet perfekt; mustergültig' - etwas, das es wert ist, nachzueifern oder zu folgen. Aber in der wirklichen Praxis wird nicht jede Heilung ideal sein. Es wird unheilbare Fälle geben, es gibt Zeiten, wenn Sie das Simillimum verfehlen, wenn Sie nicht in der Lage sein werden, die richtige Potenz zu finden oder sie werden Patienten bekommen, die nicht auch selbst an ihrer Gesundheit arbeiten. Unser Ziel sollte es immer sein, zum Ideal zu gelangen, aber wir werden nicht in jedem Fall erfolgreich sein. Das sollte uns nicht enttäuschen, da die 'Ideale' vorgegeben sind, um die Richtung zu weisen und wir sollten dafür dankbar sein, dass uns Hahnemann solche hohe und edle Maßstäbe gesetzt hat. Die Homöopathie ist nicht nur eine Reihe von Regeln. Prinzipien können in einem Klassenzimmer erlernt werden, aber die Homöopathie auszuüben, ist eine Kunst, eine Fertigkeit. Und so wie Ihre Erfahrung wächst, werden Sie immer kompetenter, Ihre Patienten zu heilen. Und wenn Sie diese Ideale in Ihrer Praxis sehen, dann werden Sie den Zauber der Homöopathie fühlen - die wirklichen Heilungen, die uns alle an der Homöopathie so faszinieren!

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Dr. Manish Bhatia