DIE HAHNEMANN-KLINIK, Homöopathische Klinik der Heilkunst in Bad Imnau

DIE HAHNEMANN-KLINIK, Homöopathische Klinik der Heilkunst in Bad Imnau

Author: 
Siegfried Letzel

Im September 2006 besuchte ich erstmals die Hahnemann-Klinik in Bad Imnau. Das Areal des Krankenhauses ist herrlich in der Hügellandschaft zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb eingebettet und vermittelt spontan ein Ambiente von Ruhe, Natürlichkeit und Geborgenheit. Ein Ort mit Wohlfühlgarantie.

Heute nahm sich Herr Huber freundlicherweise die Zeit, mich trotz seines ausgefüllten Dienst- und Terminplanes zu empfangen.

Erst vor wenigen Wochen schrieb ich zwei Buchrezensionen zu folgenden Büchern:

"Geschichte der deutschen homöopathischen Krankenhäuser"; Autor Heinz Eppenich; ISBN 3-7760-1497-0; Karl F. Haug Verlag; Herausgeber: Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung

und

"Homöopathie in der Klinik – die Geschichte der Homöopathie am Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus von 1940-1973"; Autor: Thomas Faltin; ISBN 3-8304-7153-X; Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart; Herausgeber: Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung

Nun wollte ich gerne noch die Situation homöopathischer Kliniken in der heutigen Zeit kennen lernen und musste erkennen, dass dazu nur sehr wenig veröffentlicht ist. Mit der freundlichen Unterstützung von Herrn Prof. Dr. phil. Robert Jütte (Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung) und Herrn Andreas Gärtner, Allgemeinmediziner und Homöopath, wurde der Kontakt zu Herrn Huber hergestellt.

Zu Beginn unseres Gespräches machte Herr Huber gleich den Vorschlag, einen geschichtlichen Rückblick über das Klinikgelände zu geben.

Die Geschichte der Hahnemann-Klinik hat folgenden Hintergrund:

Das Sanatorium hier, in dem wir uns jetzt befinden, existiert seit hundert Jahren. Zu Beginn war es ein klassisches Sanatorium, später wurde es zeitweise auch als Kinderheim genutzt. Seit den achtziger Jahren war es wieder ein reines Kursanatorium mit dem Namen ‚Homöopathisches Sanatorium“. Aber leider wurde hier nie Homöopathie praktiziert.

Zeitgleich entstand vor 20 Jahren die Akademie homöopathischer Ärzte, in der einmal im Monat samstags homöopathische Fortbildungsveranstaltungen für Ärzte durchgeführt wurden. In dieser Akademie habe ich selbst die Homöopathie erlernt und durfte diese Akademie auch über ca. 7 Jahre leiten.

Wir Ärzte der homöopathischen Akademie hätten uns schon immer gewünscht, dass hier auch Patienten homöopathisch behandelt werden können. Leider ließ das die Konstellation mit der damaligen ärztlichen Leitung nicht zu.

Dieses Sanatorium wurde von einer katholischen Schwesternschaft vom Orden der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz betrieben. Wie in allen solchen schwesterlichen Organisationen nahm das Durchschnittsalter der Schwestern immer weiter zu und es gab zu wenig Nachwuchs. Und so mussten nach und nach die Positionen, die von den Schwestern ausgefüllt wurden, durch weltliche teuere Kräfte ersetzt werden. Dadurch stiegen die Kosten immer weiter nach oben. Schließlich konnte der Orden vor drei Jahren die finanzielle Last nicht mehr tragen. Es musste eine andere Lösung gefunden werden.

Nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen fand sich ein Investor, Herr Dr. Udo Schulz, der auch Arzt ist, aber diesen Beruf selbst nicht mehr ausübt. Herr Dr. Schulz hat das Anwesen für eine lange Zeit gepachtet und versucht, den Standort wieder aufzubauen.

Zuerst hätte eine Alterspsychiatrie entstehen sollen. Diese Pläne wurden dann verworfen und wir bekamen das Angebot mit einer homöopathischen Klinik zu beginnen.

Zu Beginn stand ich ganz alleine da, weil Herr Dr. Kuhn, der mit mir die ersten Gespräche geführt hatte, das Projekt zwar befürwortete, aber aus Altersgründen nicht mehr aktiv mitarbeiten wollte. Ich musste mir Gedanken darüber machen, wer sonst noch bei diesem Projekt mitmachen könnte, denn mir war klar, dass wir schwerstkranke Patienten, ähnlich wie in der Clinica St. Croce in Locarno haben werden. Dr. Spinedi leitet die Clinica St. Croce und ist einer meiner wichtigsten homöopathischen Lehrer. In den letzten zehn Jahren kam Dr. Spinedi immer als Referent zu den großen Juniseminaren nach Bad Imnau. Das Hauptthema war meist homöopathische Krebsbehandlung.

So dachte ich darüber nach, wer denn die notwendigen Erfahrungen für eine solche Klinik mitbringen könnte. Da fiel mir Herr Dr. med. Uwe Friedrich ein, der schon einige Jahre zuvor in Heidelberg Krebspatienten homöopathisch behandelt hat und darin sehr erfahren ist. Unsere Wege haben sich getroffen, die persönlichen Aspekte haben gepasst und so haben wir dann im Februar 2004 das Projekt zu zweit in Angriff genommen. Zunächst mit unvermeidlichem Minimalstandard. Ausgehend von diesem Punkt haben wir die Organisation nach und nach weiter aufgebaut.

Zwischenzeitlich sind wir sechs Kollegen, zwei Krankenschwestern, zwei Sprechstundenhilfen und ein Therapeutenteam bestehend aus Psychotherapeuten, Yogalehrer, Atemtherapeut, Körpertherapeuten, Kreativtherapeuten, insgesamt fünfzehn Mitarbeiter. So sind wir Schritt für Schritt gewachsen.

Unsere Klinik ist bewusst klein gehalten. Sie beherbergt maximal 18 Betten.

Heute befinden uns im dritten Jahr und wir haben in dieser Zeit wunderbare Unterstützung bekommen. So hatten wir, ohne dass wir viel dafür tun mussten, großes Medieninteresse.

So wurde ich zum Beispiel zu Jürgen Fliege eingeladen und Dr. Friedrich in die Talkshow mit Wienand Backes. Einige Zeitschriften haben über uns publiziert. Ohne diese Hilfe hätte die Klinik nicht bekannt werden können, denn wir verfügten über keine finanziellen Mittel, um ausreichend Marketing zu betreiben.

Wir haben hier kein Projekt, für das Sponsoren Schlange stehen, ihre Gelder zur Verfügung stellen und uns einfach damit arbeiten lassen. Viel mehr musste sich unser Vorhaben aus eigener Kraft von ganz klein an entwickeln. Mittlerweile haben wir uns auch wirtschaftlich zumindest mit der Klinik aus der defizitären Anfangsphase herausentwickelt, wobei die Klinik immer ein Non-Profit-Projekt bleiben wird.

Unsere Arbeit an sich ist einfach wunderbar. Ich bin seit über 20 Jahren niedergelassener Arzt und kenne den Unterschied zwischen ambulanter und stationärer Behandlung. Diese schwerstkranken Patienten gehen in einer Ambulanz einfach unter. Es fehlt die notwendige Zeit, die Möglichkeit einer intensiven Intervision mit Kollegen. In unserer Klinik betreuen wir unsere Patienten immer durch 2 Ärzte. Der Eine macht die ausführliche Erstanamnese und betreut den Patienten kontinuierlich. Der Zweite bleibt auf der Supervisionsebene und steht beratend zur Seite. Zusätzlich haben wir noch die wöchentliche ärztliche Klinikkonferenz, in der wir alle schwierigen Patienten gemeinsam besprechen, das heißt, wir haben einen intensiven Austausch unter den Kollegen.

Frage: "Das heißt auch mit den Nichthömöopathen?"

Ja, das ist die zweite Seite. Einerseits gibt es den homöopathischen Austausch unter den Ärzten, und andererseits haben wir noch eine Gesamtklinikkonferenz Mittwoch nachmittags, bei der wir alle Patienten mit allen Therapeuten besprechen. Hier werden von unserer ärztlichen Seite die nötigen Informationen an die Therapeuten weitergeleitet und es laufen auch wichtige Informationen von den Therapeuten zu uns zurück. Nicht selten konnten wir aufgrund dieser Arbeitsweise das homöopathische Mittel leichter finden. So sind die Schwestern, die Therapeuten, die Praktikanten und die Sprechstundenhilfen an der Behandlung beteiligt und alle leisten ihren Beitrag.

Im Vergleich zur ambulanten Behandlung können wir hier die Patienten viel genauer beobachten. Und dies nicht nur im ausführlichen Gespräch und während der Konsultation, sondern wir sehen auch, wie sich die Patienten sonst im Klinikumfeld und mit den Mitpatienten verhalten.

Oft erkennen wir dabei sogenannte "unkompensierte Symptome", wie Shankaran sagt, die uns bei der Mittelfindung unglaublich unterstützen. Ob jemand immer am Essen herummeckert oder nie etwas spricht; oder ob sich jemand von den anderen Patienten immer etwas einreden lässt. Man kann all diese Dinge täglich beobachten. So könnten die schwerstkranken Patienten, wie zum Beispiel Tumorpatienten mit ihren sehr starken Schmerzen unmöglich angemessen ambulant versorgt werden.

Eine Patientin zum Beispiel, die jetzt seit Anfang dieser Woche hier ist, mit Pleuraerguss bei metastasierendem Mammakarzinom, mit schwersten Schmerzen und Depressionen braucht einfach zwei bis drei Mal am Tag eine ärztliche Konsultation, um das homöopathische Mittel ganz fein justieren und verändern zu können, sonst wird der Erfolg ausbleiben.

Das zweite wichtige Standbein der Behandlung ist, das Verständnis über die eigene Erkrankung zu erweitern und wo es nötig und möglich ist, krankmachende Lebensumstände zu verändern. Hierbei helfen die Therapeuten mit ihren unterschiedlichen wunderbaren Ansätzen sehr.

Die Clinica St. Croce in Locarno ist uns ein großes Vorbild, aber wir wollten es eigentlich noch ein wenig besser machen. Die Patienten werden bei Dr. Spinedi homöopathisch bestens versorgt, keine Frage. Aber zwischendurch fühlen sich die Patienten vor allem mit ihren seelischen Sorgen auch alleine. Sie werden von den Ärzten hervorragend versorgt, aber den Aspekt der seelischen Betreuung durch Therapeuten, der bei uns eine große Rolle spielt, gibt es dort leider nicht.

Die essentiellen Standbeine der Behandlung sind die Klassische Homöopathie und die gleichzeitige seelische Unterstützung. Den Einsatz der Schulmedizin gibt es dort, wo sie notwendig und angebracht ist. Bei starken Schmerzen zum Beispiel oder wenn ein Asthma- oder Rheumapatient zu uns kommt, der an konventionelle Arzneimittel gewöhnt ist. Dann setzen wir die ganzen Medikamente nicht einfach ab sondern schleichen diese Medikation, wenn es besser geht, vorsichtig aus. Aber wir machen zum Beispiel keine Chemotherapie hier.

In die Therapie nehmen wir auch Erfahrungen von Dr. Spinedi, Dr. Ramakrishnan oder andern Krebstherapeuten auf und prüfen diese Erfahrungen, so zum Beispiel die Plussing-Methode. Unsere Erfahrungen mit der Plussing-Methode waren aber nur zu 30 % positiv und zu 70 % nicht. Es gibt Patienten, die darauf gut ansprechen, aber in den allermeisten Fällen fahren wir gerade mit den Q-Potenzen am besten. Selten mal wenden wir C-Potenzen an, meist bei akuten Komplikationen. Die allermeisten Patienten erhalten Q-Potenzen. Meist beginnen wir mit der Q3.

Wir nehmen bewusst keine Akupunktur oder andere naturheilkundlichen Methoden hinzu, um klar zu sehen, wie die homöopathischen Mittel wirken. Wir experimentieren aber, zum Beispiel bei metastasierenden Tumoren, durchaus auch mit der Methodik der Inder, z. B. mit der von Dr. Pareek, die ja auch bei diesen schwersten Erkrankungen, wie auch schon einige alte Autoren, tumorspezifische Mittel in niedrigen Potenzen verwenden, zum Beispiel für ein Leberkarzinom Carduus marianus oder Apocynum bei Aszites. Wir verabreichen also ein Mittel für die gesamte Symptomatik und dann zusätzlich noch ein niedrigpotentes Mittel dazu, in der Potenz D1 oder D2. In der Krebsbehandlung kann man einfach noch nicht von

Behandlungsnormen ausgehen, das Ziel ist aber mit zunehmender Erfahrung solche Empfehlungen geben zu können.

Wir verfügen in der jetzigen Phase, da die Klinik erst seit 3 Jahren existiert, noch über keinen großen Erfahrungsschatz und können deshalb auch noch keine Statistiken vorlegen. Aber wir befragen im Augenblick unsere bisher behandelten Patienten und werden ab 2007 prospektive Studien durchführen. Denn ohne wissenschaftliche Arbeit geht es nicht.

Um diese Arbeit und auch andere Klinikprojekte zu fördern, haben wir einen gemeinnützigen „Förderverein Hahnemann Klinik“ ins Leben gerufen.

Dieser Förderverein wird durch Spenden und durch die großen Seminarveranstaltungen, die wir hier abhalten, gespeist. Er besteht aus zwei Fonds.

Dem Klinikfonds, der uns hilft, Projekte in der Klinik zu realisieren, sei es die wissenschaftliche Arbeit, ein neues EKG - Gerät oder der Kräutergarten.

Der zweite Fond unterstützt sozial schwache Patienten, die sich den Klinkaufenthalt nicht leisten können. 70 % der Patienten, außer den Privatpatienten, müssen hier im Augenblick alles selbst bezahlen. Unsere Klinik ist nicht zu teuer. Die Kosten liegen eher in der Größenordnung eines Skiurlaubes, sie liegen niedriger als die eines normalen Krankenhausaufenthaltes. Aber dennoch, es sind 3400,-€ für drei Wochen. Die Spenden kommen meist aus der Patientenschaft, aber auch von örtlichen Stellen wie von der ortsansässigen Sprudelfabrik, der Fürstenquelle, oder von Patienten und Teilnehmern, die zu Seminaren hier waren und uns auf diese Weise unterstützen.

Und das ist eigentlich das Schöne hier: alle, die wir hier arbeiten, tun dies aus ideellem Engagement heraus. Wir haben fast alle noch unser zweites berufliches Standbein. Zumindest gegenwärtig noch, denn wir konnten es zu Beginn ja nicht wissen, wie sich diese Klinik entwickeln wird. Ich arbeite noch mit Kollegen in einer Praxis in Calw, Herr Dr. Friedrich gibt noch viele Fortbildungen. Aber wir stellen die Weichen immer mehr hierher an diesen Standort. Einer unserer Kollegen hat jetzt seine Praxis aufgegeben und kommt ganz hierher, Herr Dr. Friedrich wohnt sogar schon hier. Auch ich habe meinen Praxisanteil in Calw wesentlich reduziert.

Frage: "Ich kann es mir vorstellen, dass einige Patienten ohne Anraten des eigenen Hausarztes zu Ihnen kommen. Gibt es eine gute Zusammenarbeit mit den schulmedizinischen Kollegen?"

Wir sagen nicht, dass die Homöopathie das Nonplusultra ist. Die Kombination der Therapien ergibt oft den besten Effekt. Die Gespräche mit den Kollegen verlaufen meist sehr kollegial. Aber es gibt natürlich auch Kollegen, die Vorurteile gegenüber der Homöopathie haben. Diese versuchen wir nicht zu überzeugen. Dafür setzen wir unsere Energien nicht ein.

In meiner allgemeinmedizinischen Praxis, die ich seit 20 Jahren führe, lassen sich die beiden Methoden in der täglichen Arbeit sehr gut kombinieren. Die eine Methode ergänzt die andere. Im theoretischen Bereich liegen natürlich Welten zwischen den Methoden, aber für den praktischen Bereich bin ich froh, beide Methoden nutzen zu können, zum Beispiel um einen Pleuraerguss punktieren können. Auch kann eine Operation sehr hilfreich sein, um große Tumoren zu reduzieren.

Frage: "Es gibt heute den großen Trend in Richtung evidenzbasierter Medizin, bei der man seine Studien vorliegen hat und dann als Arzt die best-empfohlene Therapie anzuwenden hat - und bei der man schon befürchten muss, falls man anders verfährt, dass es fast schon als Kunstfehler interpretiert wird. Haben Sie da keine Angst oder Befürchtungen?"

Da haben wir keine Befürchtungen. Wir haben die nötige Freiheit, wenn wir die Meinung des Patienten anhören und akzeptieren, ohne ihn zu irgendetwas zu drängen; dann sind wir immer auf der richtigen Seite. Wir gehen bei uns immer so vor, dass wir dem Patienten unsere Vorschläge unterbreiten, auch die schulmedizinische Meinung zulassen und dann den Patienten entscheiden lassen. Die Entscheidung des Patienten, egal wofür, ob für eine Chemotherapie oder gegen sie, ob für eine Operation oder dagegen, ist es immer die richtige Entscheidung und wir begleiten den Patienten auf seinem selbst gewählten Weg. Wenn wir diesen Weg gehen, haben wir keine rechtlichen Konsequenzen zu fürchten. Denn der Patient ist Herr über seine Entscheidungen.

'Evidence Based Medicine' ist sowieso nur in anderen medizinischen Bereichen sinnvoll, in denen mehr Übereinstimmungen in der Therapie bestehen, wie zum Beispiel in der Hochdruckbehandlung. Aber auch diese Normen ändern sich rasch und unterliegen auch dem Wandel der Erfahrung.

Zu uns kommen oft Patienten nach diagnostischen und therapeutischen Odysseen. Egal, ob sie jetzt an einer Tumorerkrankung leiden oder ob sie, wie ein anderer Patient, jahrelang täglich Fieberanfälle haben, völlig durchdiagnostiziert ohne fassbares Ergebnis. Hier ist die Anwendung einer evidenzbasierten Medizin nicht möglich. Deshalb haben wir in diesen Dingen überhaupt keine Sorge.

Frage: "Lassen sich Fehler früherer homöopathischer Kliniken vermeiden? Denken wir an Köthen."

Ich habe mir schon viele Gedanken darüber gemacht. Die Idee, eine homöopathische Klinik zu gründen, habe ich bestimmt schon seit fünfzehn Jahren. Und ich weiß um das Robert-Bosch-Krankenhaus und andere Krankenhäuser. Diese Krankenhäuser sind mit dem Charisma eines bestimmten Arztes entstanden und nach ihm auch wieder untergegangen. Die Chance, die wir hier haben ist, dass wir keinen charismatischen Leiter haben. Wir arbeiten ganz bewusst nicht im Sinne eines charismatischen Führers, sondern im Sinne eines Teams. Und ich denke, dass dies eine der Hauptmöglichkeiten ist, diese früheren Fehler zu vermeiden. Wenn das Team gut ist und es als solches zusammensteht, dann kann auch mal einer zurücktreten oder ausfallen, aber die Idee wird weiter bestehen. Vielleicht ist dies die Hauptantwort auf diese Frage.

Frage: "Ihre Klinik hat hier schon früh mit zusätzlichen betreuenden Therapien angefangen. Haben Sie Vergleiche, wie es für die Patienten aussehen könnte, wenn ausschließlich nur die Homöopathie hier praktiziert würde, ohne die Begleittherapien, die Sie so anbieten?"

Nur in sofern, dass ich einige Patienten habe, die ich von früher her kenne. Ich habe zum Beispiel eine Patientin, die habe ich über zehn Jahre lang betreut, ausschließlich im ambulanten Bereich, und es ging dann ab einem bestimmten Punkt einfach nicht mehr weiter. Sie hatte schwerstes Asthma. Und hier, in diesem Setting, machte sie enorme Fortschritte und es geht ihr jetzt sehr gut. Und zwar durch die homöopathische Arbeit, die man eventuell auch in anderer Umgebung leisten könnte, und die ergänzende therapeutische Arbeit. So hatten wir mehrere Patienten, die in der ambulanten Behandlung nicht weiterkamen und hier im stationären Setting sich sehr besserten.

Frage: "Jetzt könnten böse Zungen behaupten, es ist eine Optimierung des Plazeboeffekts."

Jetzt kommen wir in einen Bereich, wo wir uns überlegen müssen, was ist denn Therapie überhaupt? Wie funktioniert Heilung? Es gab mal in Einsiedeln in der Schweiz einen Kongress über den Plazeboeffekt, organisiert von einem naturkundlichen arbeitenden Kollegen Dr. Schmidt. Es ging um die Frage, ob der Plazeboeffekt möglicherweise in allen Therapieformen das an sich Heilende ist. Wie also funktionieren diese Dinge überhaupt? Spielt sich alles nur auf der geistigen Ebene ab? Da könnte man viel darüber philosophieren.

Wir halten uns einfach an die Regeln und Erfahrungen der klassischen Homöopathie und fahren, denke ich, gut damit.

Was wir aber immer wieder sehen ist, dass wir Mittel verabreichen und keine Besserung beobachten können. Dann wechseln wir das homöopathische Mittel und jetzt tritt die Besserung ein. Diese häufige Erfahrung macht die reine Plazebowirkung unwahrscheinlich. Und wenn wir ein Plazebo finden würden, mit dem wir auch Heilungschancen bei so schwersten Erkrankungen mit über 60 % produzieren, dann würde ich sehr zu Plazeboeffekten stehen. Aber wir tun dies nicht, wir praktizieren Homöopathie.

Außerdem sehen wir jeden Tag, dass die Mittel Symptome produzieren, dass sich die Symptome auf Mittelgaben hin ändern und dann auf ein anderes Mittel hinweisen. Die Grundsätze der Homöopathie werden eigentlich jeden Tag bestätigt.

Frage: "Wie lässt sich die klassische Homöopathie, nicht nur in Ihrer Klinik, sondern in der heutigen klinischen Welt und zwischen den anderen Naturheilverfahren einbetten? Viele Patienten sind mit ihrer Betreuung und Behandlung irgendwie unzufrieden und möchten noch etwas anderes machen. Was wäre für die Homöopathie das Idealbild in der heutigen Welt?"

Nehmen wir zum Beispiel die meisten chronischen Erkrankungen, für die uns schulmedizinisch Linderungsmittel aber keine Heilmittel zur Verfügung stehen. Das Ziel ist homöopathisch eine Heilung anzustreben und dann die Linderungsmittel, sprich Schmerzmittel, Zytostatika, Kortikoide und andere Medikamente nach und nach zu reduzieren.

Wenn wir eine Erkrankung haben, befinden wir uns an einem Zeitpunkt A. Es kann ein Fieber sein, Scharlach, eine Pneumonie oder ein Tumor. Jetzt können wir zusammen mit dem Patienten nach schulmedizinischen Kriterien definieren, wie viel Zeit uns bleibt. Das kann bei der Pneumonie oder dem Scharlach ein halber oder ein ganzer Tag sein, oder es können bei einem Tumor vier oder sechs Wochen sein.

So lange können wir zuwarten, bevor wir eine schulmedizinische Maßnahme einleiten, die zum Beispiel aus einer Antibiotikatherapie oder einer Operation bestehen kann. Während dieser Zeit können wir homöopathisch einwirken. Bei den akuten Krankheiten wie zum Beispiel kindlichen Infektionskrankheiten können wir die Probleme in über 90 % der Fälle in dieser definierten Zeit lösen und brauchen kein Antibiotikum einsetzen. Dies ist das Vorgehen für die akuten Erkrankungen. Wenn ein Tumor vorliegt, ist das Vorgehen ähnlich. Erkennen wir zum Beispiel nach vier Wochen, dass der Tumor tendenziell kleiner geworden ist, dann kann man den Zeitraum des Zuwartens verlängern. Und ist er bei der nächsten Kontrolle nochmals kleiner, kann man diesen Zeitraum nochmals ausdehnen, bis der Tumor verschwunden ist.

Und wenn es einmal nicht geht, dann ist man als Behandler bei einem schweren Infekt für ein Antibiotikum oder die Operationsmöglichkeit dankbar.

Frage: "Wenn jetzt jemand einen Tumor hat, und sie fangen mit der homöopathischen Behandlung an, gehen dann die Patienten auch zusätzlich noch in eine andere Klinik und lassen sich röntgen oder CTs machen?"

Das muss parallel laufen, Diagnostik muss einfach sein, auch um die homöopathische Behandlung optimal zu gestalten.

Frage: "Es gibt Tumore, die schneller wachsen, die aggressiver sind, bei anderen hat man etwas mehr Zeit; gibt es Tumore, bei denen sie empfehlen, gar nicht erst abzuwarten, sondern gleich schulmedizinisch vorzugehen? Malignes Melanom zum Beispiel. Wie würden sie damit umgehen?"

Bei einem malignen Melanom ist das ganz schwierig. Denn die schlimmsten Verläufe, die ich gesehen habe, waren die schlecht operierten Fälle. Die Wahrscheinlichkeit, dass man durch eine Operation das Melanom in seinem metastasierenden Verlauf wirklich behindern kann, ist gering. Deshalb ist das Melanom vielleicht eher ein Beispiel dafür, wo ich mittlerweile eher sogar zu einem eher abwartenden Verhalten zurate, und nicht empfehle, jeden kleinen Fleck gleich herauszuschneiden. Denn da habe ich schlimme Dinge gesehen.

Es könnte auch die folgende Situation vorliegen: ein Brusttumor wird erkannt und man beobachtet ihn sorgfältig und man stellt fest, dass er über ca. vier Wochen langsam wächst. Nun erfolgt eine rein homöopathische Behandlung. Wächst der Tumor nun nicht mehr weiter oder verkleinert er sich, so beobachtet und kontrolliert man ihn weiter. Dieses Vorgehen ist in der Praxis häufig.

Fälle, in denen man vielleicht nicht homöopathisch eingreifen sollte und wo man besser zuerst operiert, sind natürlich all die Fälle, bei denen der Tumor an bedrohlicher Stelle sitzt, z. B. Hirn- oder Wirbelsäulentumore an bestimmten Stellen, und solche Tumore, die relativ gut auf schulmedizinische Therapien ansprechen. Es gibt zum Beispiel bestimmte Hodentumore, die auf die Kombination Operation und Bestrahlung relativ gut ansprechen. Die kindliche Leukämie spricht relativ gut auf eine Chemotherapie an. Deshalb würde ich in solchen Fällen die Homöopathie begleitend und nicht primär einsetzen. Das gilt immer dann, wenn die Schulmedizin gute Möglichkeiten bietet, mit einer guten Prognose.

Aber in vielen Bereichen verbessern die schulmedizinischen Therapien nicht die Prognose. Dann relativiert sich alles, und wir haben bei der homöopathischen Therapie mehr Freiraum.

Frage: "Was würden Sie jetzt einem Patienten empfehlen, der heute die Diagnose gestellt bekommt, er haben diesen oder jenen Tumor - sollte er dann so bald wie möglich zu ihnen kommen?"

Das optimale Konzept ist als Erstes nichts zu übereilen. Nicht jetzt die Diagnose gestellt bekommen und heute Abend auf dem Operationstisch liegen. Das wäre die schlechteste Lösung. Sie wird leider zu oft mit vielen Komplikationen und mit schlechten Ergebnissen erkauft. Das Erste ist, nichts zu übereilen, das zweite ist, möglichst bald mit der homöopathischen Behandlung zu beginnen und dann die schulmedizinische Behandlung, soweit sie notwendig und sinnvoll ist, parallel zu verfolgen. Meist vertragen die Patienten unter einer homöopathischen Behandlung die tumordestruktive Therapie viel besser, ob es nun eine Operation ist, eine Chemotherapie oder eine Bestrahlung: Wir haben wunderbare homöopathische Mittel um die Nebenwirkungen zu reduzieren. Vor allem ist es aber wichtig, den anfänglichen Schock beim Patienten abzufangen, was mit der Homöopathie sehr gut gelingt.

Kommentar: "Da sind die Patienten oft erst einmal alleine gelassen."

Eben, das ist furchtbar.

Frage: "Aber sie können ja nicht jeden, der die Diagnose gestellt bekommt, hier im Hause aufnehmen. Wäre es da nicht irgendwo sinnvoll, wenn dezentral kompetente, ausgebildete Ärzte zur Verfügung stünden, die mit ihnen in regelmäßigem Kontakt wären und als Puffer wirken könnten?"

Das wäre wunderbar. Es muss in Zukunft solche Zentren geben, in denen die Patienten eine Erstanlaufstelle haben und wo sie eine homöopathische, und vielleicht auch noch einmal eine schulmedizinische Beratung bekommen - als Zweitmeinung - und wo sie dann in Ruhe entscheiden können, welches der richtige Weg für sie ist.

Frage: "Wie bekannt ist Bad Imnau so in Ihrer Kollegenschaft?"

Noch nicht so sehr. Denn wir sind ja eine kleine Klinik. Unter den homöopathischen Kollegen ist Bad Imnau aber deshalb ein wenig bekannter, weil seit mehr als 10 Jahren zumindest einmal jährlich ein großes Homöopathieseminar, meist mit Dr. Spinedi, hier bei uns stattfindet. Meist kommen so um die 250 Kollegen zu dem Seminar, und es wurden auch einige Bücher über diese Seminare veröffentlicht. Dadurch ist Bad Imnau mittlerweile in den Fachkreisen zu einem feststehenden Begriff geworden.

Kommentar: "Den Bekanntheitsgrad müsste man steigern!"

Ja, aber es läuft alles langsam an. Es steckt eben auch sehr viel Arbeit dahinter. Zu Beginn waren wir ausschließlich voll damit beschäftigt, die alltäglich anstehenden Arbeiten in der Patientenversorgung zu leisten.

Kommentar: "Es müsste mehr von außen kommen. Die Arbeit, die Sie hier leisten, ist doch schon mehr als ausfüllend ..."

Wobei wir aber viel noch nebenher leisten! Wie das Interview zum Beispiel, das wir im Moment miteinander führen. Das ist die Kür. Eine einfache Möglichkeit wäre zum Beispiel ein Banner auf Ihrer Homepage, das auf unsere Klinik hinweist.

Zum Beispiel werde ich ab 2007 vier Mal im Jahr eine „klinische Visite“ anbieten. Dies wird samstags stattfinden. Am Vormittag werden die stationären Patienten vorgestellt und deren homöopathische Therapie besprochen. Die zweite Hälfte des Tages wird für Fragen, Intervision und Supervision für eigene Fälle zur Verfügung stehen. Der nächste Termin ist übrigens der 10.2.2007.

Frage: "Wer kann sich für diese 'Klinische Visite' anmelden?"

Jeder. Es gibt auch überhaupt kein Problem, wenn Heilpraktiker kommen. Man kann einfach bei mir anfragen.

Es wird auch im Juni 2007 eine große Expertenkonferenz zum Thema Krebs geben, u. a. mit den Doktoren Pareek, Payrhuber und Dr. Spinedi natürlich. Wir haben dann drei Tage lang die Gelegenheit die Erfahrungen bei der homöopathischen Krebsbehandlung auszutauschen, mit Fallvorstellungen und Liveanamnesen. Es wird auch einen Laientag zum Thema Grundprinzipien der Heilung bei Krebs geben, mit Vorträgen und Workshops. Unter anderen spricht Lothar Hirneise und Willigis Jäger.

Frage: "Wie ist die Situation für homöopathische Kliniken allgemein in Deutschland? Sind Sie die Einzige, die in dieser Form existiert?"

In dieser Form sind wir die Einzigen. Es gibt noch andere, wie die Waldhausklinik in Deuringen bei Augsburg, die primär eine naturheilkundliche Klinik ist und in der die Homöopathie mit dem Wissen der Assistenten, die dort tätig sind, steht oder fällt. Da gibt es noch das Krankenhaus für Naturheilweisen in München, das ja schon lange existiert, in dem aber die Homöopathie nicht im Vordergrund steht. Es werden dort noch einige andere Naturheilverfahren angeboten. Dann haben wir auf Fehmarn den Hof Bellevue, wo man u. a. Neurodermitis behandelt. Dort steht und fällt die Homöopathie ebenfalls mit den Assistenten.

Das Hauptproblem ist, dass sich eine solche Institution auch finanziell tragen muss. Das ist bei uns genauso. Unser Finanzier hier hat uns eine Chance gegeben, aber wenn wir keine Belegung erreichen können, dann können wir nicht weiterbestehen. Im Augenblick ist unsere Lage so, dass die Existenz der Klinik nicht bedroht ist. Aber wir würden uns natürlich wie jeder Handwerker über ein volles Auftragsbuch, sprich reichliche Patientenanmeldungen wünschen.

Frage: "Also sind sie optimistisch, dass es hier noch einige Jahre weitergehen wird."

Im Augenblick sind alle Weichen in Richtung weiteren Bestands und Fortschritt in Bad Imnau gestellt. Unser Bekanntheitsgrad und die Belegung steigen. Herr Dr. Friedrich ist hierher gezogen und es gibt recht viele Optionen hier auf unserem Gelände, die alle noch ein bisschen wie im Dornröschenschlaf liegen und wiedererweckt werden wollen.

Frage: "Und für Sie hat es jetzt fünfzehn Jahre gedauert - von den ersten Träumen bis hierher."

Als die Träume von einer homöopathischen Klinik vor ca. 15 Jahren immer drängender wurden, machte ich mir viele Gedanken, wie ein solches Projekt zu realisieren wäre.

Zuallererst dachte ich, es bräuchte ein gut ausgebildetes Team homöopathischer Ärzte. Deshalb habe ich in Stuttgart 1997 mit Kollegen zusammen ein homöopathisches Zentrum gegründet, um dort gemeinsam Homöopathie zu praktizieren und Ärzte auszubilden. Dies schuf möglicherweise die Voraussetzungen, um über einige Umwege dann diese homöopathische Klinik zu realisieren. Dies war mir aber in einer eher schwierigen Zwischenphase nicht klar.

Die persönlichen Wege der mitarbeitenden Kollegen gingen nach und nach in andere Richtungen, sodass Verantwortung und Patientenbehandlung immer mehr alleine auf meinen Schultern lagen und zwar nicht nur in Stuttgart, sondern auch in meiner Praxis in Calw. Letztendlich stand ich dann 2003 vor der Entscheidung Calw oder Stuttgart weiterzuführen.

Ich entschied mich dann für Calw und wir verlegten das Zentrum in die Praxisräume nach Calw.

Zunächst war mir nicht klar, was diese Entwicklung zu bedeuten hatte, immerhin hatte ich

für den Aufbau des Zentrums sieben Jahre lang viel Energie, Zeit und Geld investiert und wusste zunächst nicht wofür. Zunächst habe ich dann einfach meine Praxis in Calw weitergeführt, und dann, ein dreiviertel Jahr später, kam relativ überraschend das Angebot mit der Klinik in Bad Imnau zu beginnen. Im Nachhinein denke ich, dass ich ohne die Erfahrung mit dem homöopathischen Zentrum nicht die Erfahrung und den Mut gehabt hätte, eine Klinik zu gründen.

Frage: "Es gibt also für Kollegen, die den gleichen Wunsch, die gleichen Träume haben, kein Patentrezept, nach dem man vorgehen und anderswo so etwas aufbauen kann?"

Ich würde eher raten, klein anzufangen und mit der Zeit zu wachsen, als einen großen Plan zu entwerfen und erst dann zu beginnen, wenn alle Vorraussetzungen optimal sind. Klein anzufangen heißt aber auch anzupacken, nicht nur in der Patientenbehandlung, sondern auch vieles selbst zu tun, vom Briefeschreiben bis zum Loch in der Wand bohren. Nicht dass wir uns nicht wünschen würden, mehr Mittel zur Verfügung zu haben oder auch Annerkennung und Unterstützung von bestehenden Institutionen zu bekommen. Aber zunächst einmal müssen wir diese Arbeit aus eigener Kraft schaffen.

Wir sind aber zuversichtlich, dass wir, wenn es sein soll, irgendwann auch diese Hilfe bekommen werden.

"Herr Huber, ich danke Ihnen herzlich für dieses ausführliche und sehr informative Gespräch."